Wenn heute schon morgen wäre
Wenn heute schon morgen wäre, dann könnten wir in die Zukunft schauen.
Nur ein kleines Stück, aber in die Zukunft.
Und so ein kleines Stück in die Zukunft zu schauen, das wäre manchmal eine große Hilfestellung. Zu wissen, dass uns diese eine Sorge morgen nicht ereilt. Zu wissen, dass dieser eine Tag ein guter Tag sein wird. Dass die schlechte Nachricht ausbleibt.
Es wäre so schön, wenn wir nur dieses kleine Stück Gewissheit hätten, das morgen ein guter Tag wird. Oder eben kein schlechter.
Nur ist es nicht so. Denn egal, wie weit wir in die Zukunft schauen könnten – es ändert nichts daran, dass es die Zukunft ist. Es wäre ja nur schön und hilfreich, wenn es die guten Nachrichten wären, die uns ereilten. Oder die Abwesenheit von schlechten Nachrichten wäre – je nach Lebenssituation – eben auch eine gute Nachricht. Es ist aber eben die Zukunft. Und welche Art von Nachrichten uns ereilt,dass wissen wir nicht. Wir wissen es nicht für die ferne Zukunft und wir wissen es nicht für eben diesen Moment. Nicht einmal für das Jetzt.
Diese Erkenntnis ist trivial. Das Leben – ob gut oder schlecht – findet hier statt. Im Jetzt und in diesem Moment. Und die Zukunft ist immer eine Aussicht.
Das ist ein wenig wie beim Bergsteigen. Man wünscht sich, dass der steile und beschwerliche Weg sich lohnt. Und man weiß – in der Regel wird man auf dem Gipfel mit einem Atemberaubenden Anblick belohnt. Viele Bergsteiger, wahrscheinlich wohl die Meisten, dürfen das erleben. Das ist ein Teil der Antriebs, der die Menschen nach dem Gipfel streben lässt und sich diese Gefahren auferlegen lässt. Und dennoch – da macht man sich beim schönsten Wetter auf den Weg, hat eine prima Ausrüstung und reichlich Verpflegung. Zusätzlich hat man noch diese Seilschaft aus lieben und zuverlässigen Menschen, deren starken Händen man sich blind anvertrauen mag und für deren Leben man das Eigene zu opfern bereit wäre. Doch das Wetter in den Bergen ist mitunter launisch und wechselhaft. Aus dem schönsten Sonnenschein wird plötzlich Nebel. Wolken ziehen auf oder gar Unwetter. Manchmal so plötzlich, dass eine Umkehr nicht möglich und selbst das Innehalten und Abwarten scheinbar keine Möglichkeit eröffnet.
Wird man den Gipfel erreichen. Wird man dort mit dem ersehntem Anblick belohnt? Ist es ein Weg voller Mühen und Gefahren und am Ende war nur der Weg das Ziel?
Denkt man sich die verschiedenen Szenarien aus, so scheint mir, das Bergsteigen ist eine gute Metapher für das Leben. Für die Hoffnung auf diese grandiose Aussicht, die das Erreichen des eigenen Lebenszieles bietet. Wie zum Beispiel die Rückschau auf ein langes Leben, die Rückschau auf die Weggefährten und den Halt und das Vertrauen, das man sich schenkte. Die neuen Begleiter, welche man auf dem Weg fand und welche sich in Form von Kindern und Kindeskindern wie Wegmarken an der eigenen Spur zum Gipfel aufreihen. All die vielen Mühen und kleinen Belohnungen auf diesem Weg, die uns auf dem Gipfel die Luft und das Licht so rein erscheinen lassen und uns einen Moment voller Glück schenken der uns sagt – nun hast Du Alles erreicht, nun könntest Du gehen.
Diese Bilder und Gedanken können in der Tat ein Bild für den Weg durch das Leben sein. Das viele auf und ab. Die Höhen und Tiefen, die leicht zu durchschreitenden Ebenen und die vielen Glücksmomente auf den Gipfeln nach ganz oben.
Aber auch für die Täler – die Rückschläge und die falsch eingeschlagenen Wege. Für den Steinschlag, den Durst, den Hunger und die Kälte. Für erwartete und unerwartete Erschwernisse. Und für die Erkenntnis – das die Natur sich am Ende nicht beeindrucken lässt von unseren Mühen. Egal wie sehr wir kämpfen, egal wie gut wir uns vorbereiten. Am Ende ist es die Natur, die uns eine Überraschung bereit hält oder uns den Weg bis zum Gipfel gehen lässt.
Wir möchten immer planen und vorbereiten. Wir möchten gerne sicher sein den Gipfel zu erreichen. Vielleicht verlieren wir dabei manchmal das wesentliche aus den Augen. Den Moment zu genießen und diesen Genuss auch in Herausforderungen oder gar Rückschritten zu suchen. Der Weg ist vielleicht nicht das Ziel – aber der Weg ist der Weg.
Alle Gipfel, ob groß oder klein, bieten atemberaubende Aussichten. Und alle Gipfel liegen auf eben diesem einen Weg.
Am majestätischsten jedoch – und am Schönsten auch, sind die Gipfel wenn man unten steht. Wenn sie fern sind und scheinbar unerreichbar. Für den Körper – und nicht für den Geist.
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